Satt machen oder es satt haben? Fragen über Fragen…

Wir erleben gerade eine Zeit mit großen Veränderungen. Außer Corona schreitet auch der Klimawandel weiter voran und hinterlässt seine Spuren mit Temperaturanstieg, Trockenheit im Wechsel mit Sturzregen und Sturm. Wo geht die Reise hin in der Landwirtschaft? Welcher Weg ist der richtige? Im Folgenden möchte ich das Thema konventionelle Landwirtschaft versus biologischer Ackerbau ein wenig mit Fragen beackern…

Kann man überhaupt gesundes Gemüse anbauen ohne chemischen Dünger und ohne Pestizide, Herbizide und Fungizid zu verwenden? Nach meinem letzten Gartenjahr, in dem ich doch einige Schäden durch Schädlinge, Pilze und andere Lebewesen zu verzeichnen hatte, könnte man auf die Idee kommen, dass das nicht geht. Kann man mit Permakultur-Methoden auf 1000m2 genügend Gemüse für eine kleine Familie produzieren? Viele Bauern sind der Meinung das geht nicht ohne Chemie. Aber geht es mit Chemie auch ohne Schäden an Boden, Wasser und Gesundheit?

Ich finde es sehr schade, dass zwischen den Ökobauern und den konventionellen Bauern so tiefe Gräben aufgeworfen wurden, obwohl WIR (alle Menschen, also auch konventionelle und ökologische Bauern) doch alle EIN Interesse haben, nämlich dass wir alle satt werden und dabei gesund bleiben. Nur unsere Vorstellung vom Weg zu diesem Ziel ist unterschiedlich. Warum ist das so?

In den letzten 10 Jahren mussten wieder unzählige viele kleine Bauern aufgeben, weil sie mit den niedrigen Preisen nicht mithalten konnten. Tatsache ist, dass ein kleiner Betrieb am Liter Milch nicht genug verdient, um über die Runden zu kommen. Und, dass sollte auch nicht verschwiegen werden, es gibt auch profitable Bauern, meistens mit riesigen Ställen, riesigen Schleppern und riesigen Feldern, die nicht gerade am Hungertuch nagen. In unserer Gesellschaft gilt eben das Mantra „schneller, größer, reicher“, „der Große frisst den Kleinen“ oder auch „Geld regiert die Welt“. Muss das so sein?

Wie kann es überhaupt sein, dass, obwohl heute wesentlich mehr Milch und Fleisch produziert wird, so viele Bauern aufgeben müssen? Wohin fließt das Geld? Wird die Landwirtschaft schlechter gefördert oder wird einfach weniger verdient? Oder liegt es an der Verteilung? Wird an der Arbeit der Bauern woanders verdient? Oder verdienen möglicherweise wenige Bauern sehr viel und viele andere sehr wenig? Fragt mal einen Bauern wieviel Geld er im Jahr an die Bank für den Schlepperkredit ausgibt. Oder was so ein riesiger Schlepper überhaupt kostet (oft mehr als das Haus auf dem Hof!). Dann fragt mal wieviel ein Bauer ausgibt für Chemie (Dünger, Insekten-, Pilz- und Pflanzengift). Wie geht es nun den Banken, den Schlepperherstellern, der Agrarchemieindustrie und dem Handel im Vergleich zur Landwirtschaft?

Wenn man nur 50 Jahre zurückgeht, konnten noch dreimal so viele Bauern von ihren Höfen leben. Es heißt der Handel und der Verbraucher sei schuld. Ist das so? In der Schule habe ich mal gelernt, dass der Preis durch Angebot und Nachfrage geregelt wird. Je größer das Angebot, desto kleiner der Preis. Wie ist das denn in Deutschland? Gibt es zu viel Fleisch oder zu wenig? Zu viel Milch oder zu wenig?

Nun fragt mal den biologischen Bauern, wieviel er von seinem Ertrag an die Agrarindustrie für Chemie und Saatgut ausgibt? Oder für Maschinen? Oder vergleicht einmal die Betriebsgröße, d.h. wieviel Land ein biologisch wirtschaftender Bauer benötigt, um profitabel zu sein. Was meint ihr wer mehr EU Fördermittel erhält – ein ökologisch wirtschaftender Betrieb oder ein konventioneller Betrieb (bei vergleichbarem Umsatz)? Man könnte meinen, dass die biologischen Bauern insgesamt wesentlich kostengünstiger wirtschaften. Aber warum machen es dann nicht alle?

Weil es schwer ist umzukehren. Weil die Umstellung vielleicht sogar heißt den Hof ganz zu verlieren. Weil die Umstellung lange dauert und manchmal teurer ist als neu zu bauen. Und was soll überhaupt der Mist einen Stall an die neue EU Ökonorm anzupassen, wenn die sich alle paar Jahre ändert? Ist das ökologisch? Und wenn es nur das wäre. Es müssen tausende von Gesetzen beachtet werden. Allein für die Dokumentation geht wahrscheinlich mehr Zeit verloren, als der Bauer auf dem Feld oder im Stall verbringt. Muss das so sein?

Wäre es nicht viel einfacher wieder mit dem Herzen zu arbeiten und die Produkte selbst zu vermarkten? In meiner romantischen Vorstellung laufen die Hühner über die Obstwiese, scharren die Schädlinge aus dem Boden, lockern und düngen den Boden. Da sind dann vielleicht nicht 3000 Hühner, sondern 300. Das sollte reichen, um ein kleines Dorf mit Eiern zu versorgen. Wenn die Dorfbewohner die Eier und das Fleisch der (Mehrnutzungs-)Hühner dann beim Nachbarn in der Umgebung kaufen würden (anstatt im Supermarkt), ihren Eierkarton mitbringen (so ein Eierkarton kann ohne weiteres 20x und mehr benutzt werden), dann müssten die Eier theoretisch nicht transportiert, nicht verpackt und nicht vermarktet werden. Und dann, Wunder was, sinkt auch noch die Nachfrage im Supermarkt! Der Energieverbrauch für Transport sinkt drastisch. Verpackungs- und Vermarktungskosten entfallen. Warum geht das nicht? Vielleicht zu naiv gedacht?

Wenn dann noch ein paar Leute mit Bienen, Ziegen, Kühen, Schafen, Gemüse und Getreide dabei wären? Mit Permakultur und Agroforst Methoden? Meint ihr das geht? Oder ist das auch zu romantisch… zu viel Arbeit… zu wenig Einkommen…?

Kurz zu meinem Hauptthema: Gemüseanbau. Wusstet ihr, dass über hunderte von Jahren mit Mischkultur teilweise sogar höhere Erträge pro Fläche erzielt wurden als mit konventionellen Methoden? Indianer haben mit den „drei Schwestern“ (Kürbis, Mais und Bohnen in Mischkultur) seit Ewigkeiten ohne Chemie und ohne Trecker sehr hohe Erträge pro Fläche erzielt. Oder guckt doch mal beim Demeter Kollegen vorbei – ist der kurz vor der Pleite? Wieviel Hektar benötigt er, um profitabel zu sein? Es heißt, dass für jeden Euro, den die Vereinten Nationen in ökologische Landwirtschaft investieren, drei Euro Wirtschaftsleistung erzielt werden… und das dauerhaft (nachhaltig!). Also mich überzeugt das – euch auch?

Jetzt habe ich ja fast nur über wirtschaftliche Aspekte der Landwirtschaft geschrieben. Dabei geht es mir eigentlich um das Leben. Im Boden. Im Wasser. Auf der Erde. In der Luft. Guckt euch mal um. Nehmt eine Handvoll Boden unter das Mikroskop – einmal vom konventionellen Acker und einmal aus einer Permakultur (ungedüngt, gemulcht, mit Kompost versorgt) – und vergleicht das Bodenleben. Es gibt nämlich nicht nur ein Insektensterben, auch der Boden und auch die Gewässer sind betroffen.

Aber jeder Tag ist ein neuer Tag – wie schon Adenauer sagte: „Was schert mich, was ich gestern gesagt habe, wenn es heute eine neue Erkenntnis gibt?“ Ich werde die Hoffnung nicht aufgeben.

Ich wünsche UNS für das neue Jahr, dass WIR (mit WIR meine ich die konventionellen Bauern und die Ökos!) unser gemeinsames Ziel erreichen: Mensch und Tier gesund ernähren, mit Boden, Wasser und Luft nachhaltig umgehen, damit auch zukünftige Generationen den Reichtum dieser Erde nutzen können. Amen.

10 Gedanken zu “Satt machen oder es satt haben? Fragen über Fragen…

  1. Hallo,

    bei der Situation mit dem Wetter stimme ich dir zu.

    Ich denke wir werden in Zukunft wohl auch auf wegen Veränderung des Wetters andere Zierpflanzen und Bäume pflanzen müsssen, die Bestand haben sollen.

    Auch auf den Ackerflächen wird sich einiges verändern. Wir werden wohl uns irgendwann aber Ackerfrüchte mit weniger Wasserverbrauch umstellen müssen.

    Nach meiner Meinung sollten, wie die auch geschrieben hast eben mehr Produkte in eigenen Hofläden verkaufen aber auch prüfen ob nicht vieleicht durch die Reduzierung z.B. der Masttiere mehr Geld bei weiniger Einsatz bekommen könnten. Leider ist es heutzutage so das das meiste Geld eben im Zwischenhandel verdient bleibt und auch bei höheren Preis im Laden nicht beim Erzeuger ankommt.

    Mit freundlichen Grüßen
    Arne Wilhelm

    1. Moin Arne,
      danke für Deinen Kommentar!
      Ja, ich denke auch, dass wir uns alle Gedanken dazu machen müssen, wie wir mit der Trockenheit umgehen können.

      Eine Frage habe ich noch zum Thema Hofladen: Meinst Du es würde etwas bringen, wenn mehrere Produzenten zusammen einen Hofladen organisieren (größeres Warenangebot, geringere Kosten)? Ich habe mir vor kurzem eine SoLaWi angeschaut (Solidarische Landwirtschaft). Da verkaufen die Produzenten ihre Produkte vorab an die SoLaWi Mitglieder (jeweils die Ernte/Produktion eines Jahres). Alle Produkte werden in einem zentralen Lager deponiert, wo die SoLaWi Mitglieder sich dann gemäß ihrer Anteile ihren Korb abholen können. Bei Milch hat der Kunde dann zum Beispiel ein Michabo und kann sich dann für einen Anteil einmal in der Woche einen Liter Milch abholen. Das gleiche geht auch mit Gemüse, Fleisch, Eiern etc…, wo dann im Depot einmal pro Woche abgeholt wird. Was denkst Du, wäre das etwas?

      Noch mal zum Thema Trockenheit: Bei mir im Garten versuche ich die Böden möglichst lang durchwurzelt zu halten. Nach der Ernte mulche ich. Ich habe auch mit Tropfbewässerung experimentiert, aber bislang nicht wirklich mit durchschlagendem Erfolg. Was man sagen kann, ist dass bei Tropfbewässerung wesentlich mehr Wasser im Boden ankommt. Aber insbesondere die fest installierten Systeme sind wahrscheinlich eher etwas für Stauden (z.B. Himbeeren). Was mir auch aufgefallen ist, ist dass viel Mulch viel hilft 🙂

      Herzlicher Gruß,
      Martin

  2. Hallo Martin,

    ich denke schon das sich das Angebot von Hofläden schon verbessern kann, wenn man dort auch Produkte anderen Hofläden anbietet die man nicht selbst produziert.

    Ich kaufe z.B. meine Kartoffeln, Eier und manchmal auch eine Schildschweinwurst im örtlichen Hofladen. Ich würde mir schon wünschen wenn dieser Hofladen auch anderes Gemüse anbieten würde.

    Über das Tropfbewässerung habe ich mir auch schon einmal gmacht. Bei einer von mir geplanten Hecke würde ich auch auf diese System zurück greifen.

    Herzlichen Grüße
    Arne Wilhelm

  3. Hallo Martin,

    danke für deinen tollen Beitrag!
    Mit der Tröpfchenbewässerung habe ich vor Jahren auch schon experimentiert. Der Erfolg war mäßig. Wirkungsvoller ist wirklich mulchen und beschatten. Gerade beim Beschatten kann man sich etwas von den Südländern abschauen. Ich habe in den letzten beiden Jahren meine Beete so bestückt, dass höhere Pflanzen den niedrigeren etwas Schatten spenden. Das hat auch schon etwas gebracht. In „Das Chaos hat System“ hatte ich das mal kurz beschrieben.
    Auch die Auswahl der Pflanzen könnte eventuell mehr Ertrag bringen. So habe ich es mit Stangenbohnen aufgegeben. Statt dessen habe ich nur noch Buschbohnen.

    Lieben Gruß, Sibylle

    1. Liebe Sibylle,
      danke für den Kommentar und den Tipp.
      Licht und Schatten finde ich auch ganz wichtig. Bei mir im Garten habe ist allerdings fast schon zu viel Schatten, ich habe sehr viele große Bäume und die Lichtplätze sind rar. Letztes Jahr habe ich einige Bäume beschnitten, um etwas mehr Licht zu bekommen. Aber grundsätzlich denke ich genauso wie Du. Ich habe zum Beispiel vor 2 Jahren das erste Mal bei Tomaten, die den ganzen Tag Sonne hatten, Sonnenbrand entdeckt. Das hätte ich vorher nicht für möglich gehalten.
      Herzlicher Gruß, Martin

  4. Lieber Martin,

    gerne weise ich Dich auf ein sehr nützliches Buch zu dem von Dir beschriebenen Thema hin:
    „Die Humusrevolution. Wie wir den Boden heilen, das Klima retten und die Ernährungswende schaffen“ von Ute Scheub und Stefan Schwarzer.

    „Die Humusrevolution“ bietet ein weltenweites, wissenswertvolles Füllhorn einfacher, ganzheitlicher, nachhaltiger Lösungen für die Regeneration der Erde und der Wasserkreisläufe. Die beeindruckend große Vielfalt der konstruktiven und komplexen Landbelebungsmöglichkeiten, die in diesem Buch vorgestellt werden, sind erfreulich und sehr ermutigend – so wird Hoffnung genährt.
    Dieses Buch betrifft die Wurzeln unseres auskömmlichen Daseins auf Erden und verbindet ganzheitlich die damit zusammengehörigen ökologischen, sozialen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Wechselwirkungen.
    Hier entlang zu meiner ausführlichen Rezension: https://leselebenszeichen.wordpress.com/2018/08/30/die-humusrevolution/
    und einer recht interessanten nachfolgenden Kommentar-Konversation.

    Naturverbundene Grüße 🙂
    Ulrike von Leselebenszeichen

    1. Liebe Ulrike,
      danke für den Link und deinen Kommentar.
      Wirklich ein tolles Buch von Ute Scheub. Vor allem voll mit Leben (was ich von sonstiger Lektüre zum Thema Boden wirklich nicht sagen kann (z.B. Scheffer/Schachtschnabel: Lehrbuch der Bodenkunde).
      Seitdem ich mich mit Permakultur und solchen Dingen beschäftige, bekomme ich einen völlig anderen Blick auf die Welt. Geht es Dir auch so? Manche mit viel Mühe angelegte Gärten kommen mir tot und unnatürlich vor. Andere wilde Gärten, in denen nichts „ordentlich“ erscheint, lösen in mir Freude und Hoffnung aus. Genauso auch Deine Leselebenszeichen, die du mit Herzblut schreibst! Danke dafür!
      Herzliche Grüße,
      Martin

      1. Vielen Dank für Deine zustimmende Resonanz auf meinen Buchhinweis und Dein ausdrückliches Lob für meine Leselebenszeichen. 😀
        Ich bin sehr naturverbunden aufgewachsen und das hat meine Lebensperspektive, meine Weltanschauung und meine Wertvorstellungen geprägt.
        Da ich in einer Genossenschaftssiedlung wohne und dort meinen Garten pflege, ist mir die naturentfremdete Haltung des sterilen Gärtnerns aus der Nachbarschaft durchaus bekannt. Allerdings habe ich inzwischen deutlich mehr Nachbarn, die zumindest auf Gifte und Kunstdünger verzichten, wenn sie auch noch nicht permakulturell arbeiten.
        Ich bin ja jahrelang mit meiner lose aufgeschichteten Natursteintrockenmauer-Beetumfassung, mit weichen gerundeten und geschwungenen Formen angeeckt. Aber auch dies wird inzwischen eher konstruktiv wahrgenommen, zumal es mir offenbar gelungen ist, diverse Nachbarn mit meinen botanischen Kenntnissen positiv zu beeindrucken.
        Herzensgruß auch von mir zu Dir

  5. Hallo, ich finde gerade deinen letzten Abschnitt richtig wertvoll. Im Grunde wollen wir wirklich alle das Selbe. Das wichtigste in meinen Augen ist es, die Welt ein bisschen besser zu hinterlassen, als wir sie vorgefunden haben. Schließlich wollen alle das unsere Kinder es irgendwann mal besser haben als wir 🙂

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